Abschied 1

Steig doch vom Pferd
lass uns einen Becher leeren,
Verrate mir wohin die Reise geht!
Du sagst, dir sei im Leben nichts gelungen
Nun kehrst Du heim,
Am Rand des Südgebirges auszuruhen...
So reite denn, ich will dich nicht mehr Fragen,
Die weißen Wolken steigen und Vergehen dort ohne Unterlass
Wang Wei

Georg

Abschied nehmen.

Es scheint mir oder besser ist, die Basis unserer Existenz. Abschied nehmen von allem.

Und zum Schluss gar von uns Selbst.

Die Frage bleibt, wer oder was ist oder bleibt, wenn wir uns von uns Selbst verabschieden.

Es gibt Abschiede die wir noch nicht mal bemerken oder kaum wahrnehmen. Und es gibt Abschiede, die zerreißen uns das Herz. Aber auch welche die sind eine Befreiung. Wie schon gesagt das Leben ist voller Abschiede und jede Nacht wenn wir einschlafen nehmen wir Abschied vom inzwischen vergangenen Tag. Nicht umsonst vergleichen wir den Tod mit dem Schlaf. Der Tod eines geliebten Lebewesen ist wohl der schmerzhafteste Abschied, den wir erfahren können. Nirgendwo erfahren wir den Verlust mehr, als in der Erfahrung des Todes. In der Antike war der Sinn der Philosophie das Sterben lernen. Und der Sinn der Zen Meditation ist, das Sitzen auf dem Kissen, dem Zafu, in der Einübung des Todes. Des "Nichtsein" des Begreifens das dieses Leben eine Art Bardo Zustand ist, wie es das tibetische Totenbuch es lehrt. Der Zen Meister Ikkyu Sojun sagt es so:

"Vor der Geburt nach der Geburt
Das ist der Ort wo du jetzt bist."

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Das ist Georg ein Freund, mein Freund, in der Blüte seines unseren Seins.
Georg ist das was man damals ein Besatzungskind nannte. Sein Vater war ein amerikanischer GI. Seine Mutter gebar ihn in einem hessischen Gefängnis.

Es viel ihm sicherlich nicht leicht auf diese Welt zu kommen. Aber er liebte das Leben voller Hingabe und ich bin dankbar die Ehre zu haben ihn gekannt zu haben. Georg verlies uns am 31.10. 2014 für immer. Und erfahren habe ich seinen Tod erst am 27.03. 2015., obwohl ich seit meinem letzten Besuch bei ihm, im September 2014, wusste das sein Tod unausweichlich und damit unser Abschied jeden Tag sein könnte, hielt ich ihn für mein Bewusstsein am Leben bis zum Morgen des 26.03.2015.

Ich erwachte mit dem Bewusstsein, das er tot ist, das es keinen Zweifel mehr gab, dass er jetzt, ein halbes Jahr später noch am Leben sein könne. Ohne das ich ein Zeichen von ihm gehört. Trotzdem wollte ich Gewissheit, die Krankenhäuser aus seiner Umgebung im Karlsruher Raum hatten mir jede Auskunft über seinen Zustand verweigert und das letzte was ich von ihm hörte, war jene SMS in der er schrieb:

"Danke meine Liebe. Bin seit Montag wieder in der Klinik. Bekomme wieder Blut.
Es geht dem Sterben zu. GG"
Ich antwortete:
"Wir halten Kontakt".
Er:
"Du bist bei meinem Sterben dabei."
Ich:
"Dann melde dich."
Er:
"Gute Nacht Jeanne"

Das war das letzte was ich von ihm hörte. Jede SMS die ich schrieb blieb ohne jede Antwort. Mich umfing sein Schweigen. Mir wahr klar oder besser gesagt, eine innere Stimme sagte mir, dies ist das endgültige Schweigen des Todes. Aber da war auch die Weigerung dieses Schweigen anzunehmen. Täglich, fast täglich schrieb ich ihm eine SMS. In der Hoffnung das ich eine Antwort bekommen würde. Das er das Schweigen beende und mir mitteile, ich bin noch da.

Skizze

Schon als ich im September 2014 bei ihm gewesen hatte ich den Entschluss gefasst ihn zu Porträtieren. Ich hatte von ihm Fotos und Skizzen gemacht. Und als ich zu Hause, entstand daraus, in mehreren Schritten das Bild.

Beim entstehen dieser Arbeit und mit der Betrachtung meiner inneren Bildern, also den Bildern die in mir entstanden während meines Aufenthaltes bei ihm, durch den Kopf.

A Water exposed skeleton


"Ein dem Wetter ausgesetztes Skelett ." Die Zeile, die dann zu dem Titel des Bildes wurde. Basho verfasste. Reiseberichte die eigentlich immer die Empfindung des Abschieds sind. Denn Unterwegs zu sein ist ein dauernder Abschied von Landschaften, Freundschaften. Basho beschreibt das wunderbar:
Es kam also der siebte Tag der letzten Dekade des dritten Monats. Der Himmel zeigte sich leicht in Dunst gehüllt, der Mond - die abnehmende Sichel - hatte an Leuchtkraft eingebüßt und der Gipfel des Fuji gab sich nur vage zu erkennen. Ich bekam einen Stich ins Herz, als mir angesichts der Blüten von Ueno und Yanaka unwillkürlich das Gedicht einfiel:
"....wann werde ich sie wiedersehen...?"

Wenn man ostasiatische Texte liest fällt einem auf das der Abschied immer aber auch immer im Grunde mitschwingt. Es ist wie es im japanischen Sprichwort gesagt wird. "Sich kennenlernen bedeutet Abschiednehmen."